
Mein LupusDiary – Leben zwischen Gesundheit und Grenzen
Diese Seite widme ich meinen persönlichen Gedanken, Erlebnissen und Erfahrungen.
Zwischen all dem fachlichen Content, den ich produziere, darf auch dieser Hauch Persönlichkeit nicht fehlen.
Ich möchte etwas bewirken, bei Betroffenen ebenso wie bei Nicht-Betroffenen.
Meine Erfahrungen sind dabei vielleicht kein großer Schritt, aber ein kleiner Fortschritt in die richtige Richtung.
Willkommen in meinem Kopf.
„Ich sehe einfach nichts …“
Gedanken vom 07. November 2025
Ich sitze auf der Bettkante und halte kurz den Atem an. Der Schmerz zieht sich wie ein heißer Draht durch meinen Körper. Automatisch greife ich dorthin, wo es am stärksten ist.
Vielleicht ist da ja diesmal etwas zu sehen. Eine Schwellung. Ein Fleck. Irgendein Hinweis darauf, dass es wirklich weh tut.
Ich drehe den Arm, beuge mich nach vorn, betrachte meine Haut im Spiegellicht.
Aber da ist nichts.
Kein Anzeichen dafür, wie sehr es brennt, drückt, zieht oder sticht. Nur ein Körper, der unversehrt wirkt.
Für einen Moment bin ich wieder dieses Mädchen von früher.
Die, die im Wartezimmer saß, still, mit verkrampften Händen.
Die, die gehofft hatte, jemand würde den Schmerz sehen, weil sie selbst es nicht konnte.
Die, die Beweise suchte, während Ärzte sagten: „Da ist nichts.“
Damals dachte ich, wenn man nur laut genug leidet, muss es doch jemand hören.
Heute weiß ich: Unsichtbarer Schmerz schreit auf eine andere Weise – leise, aber dauerhaft.
Und doch ertappe ich mich manchmal immer noch dabei, wie ich suche.
Nach einem Zeichen. Nach einem Fleck. Nach einem „Beweis“.
Als müsste der Körper doch irgendwann zeigen, was er so lange verschweigt.
Die Krankheit ist mein Feind?
Gedanken vom 23. Oktober 2025
„Dem Wolf hast du’s aber richtig gezeigt, der hat wirklich gelitten.“
„Noch eine Diagnose? Was für ein Mist, jetzt hast du noch eine Krankheit mehr zum Hassen.“
„Schlimm, wenn man immer gegen die Krankheit kämpfen muss.“
Sätze, die mich immer wieder zum Nachdenken bringen.
Kämpfen gegen den Wolf … ist das nicht eigentlich ein Kampf gegen mich selbst?
Ja, es ist eine Fehlfunktion IN mir, aber eben in MIR. Kein Feind, der mich von außen angreift, sondern ein Teil von mir.
Den Lupus habe ich nie als Feind angesehen. Schon bevor ich wusste, wie er heißt, habe ich oft mit mir selbst gesprochen. Manchmal laut vor dem Spiegel, manchmal nur in Gedanken. Ich habe versucht, meinen Körper, mich selbst, zu beruhigen.
Und als ich schließlich wusste, was diese Krankheit ist, nahm ich sie als Begleiter an.
Einen kleinen, aggressiven, bissigen Begleiter, aber dennoch einen Teil von mir. Einen Teil, der mich und manches um mich herum zwar zerstört, mir gleichzeitig aber auch einiges gegeben hat.
Ich bin Yin und Yang, Hulk und Bruce Banner, Jekyll und Hyde. Vorteil und Nachteil in einem.
Immer wieder zu hören, dass alles Böse, alles negativ sei, macht mich traurig.
Manchmal auch wütend.
Dieses Gefühl, mich immer wieder rechtfertigen zu müssen. Für mich, für uns.
Die Gesellschaft scheint nicht bereit zu sein, beide Seiten zu sehen.
Auch wenn es oft gut gemeint ist, frage ich mich immer wieder:
„Warum fragst du mich nicht, wie ich mich fühle? Warum unterstellst du mir, so zu empfinden, wie du denkst?“
Ich weiß, meine Einstellung ist nicht die, die die meisten teilen.
Aber kommt das wirklich von den Betroffenen selbst oder von der Gesellschaft?
Von einer Sprache, die unser Denken prägt: Welche uns lehrt, uns selbst zu hassen, statt uns anzunehmen.
Die uns glauben lässt, wir müssten uns bekämpfen, anstatt Frieden mit uns selbst zu schließen.
Es geht nicht darum, komplett aufzuhören zu kämpfen.
Auch nicht darum, aufzuhören zu weinen oder wütend zu sein, wenn alles wieder einmal zu viel wird.
Sondern darum, die Rolle der Krankheit im eigenen Leben zu akzeptieren.
Zu handeln, wenn es nötig ist und das Positive zu spüren, wenn es möglich ist.
Also:
Warum sollte die Krankheit nur mein Feind sein und nicht manchmal auch mein Verbündeter?
30 Jahre und noch am Leben
Gedanken vom 18. Oktober 2025
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„Wenn sie nicht herausfinden, was ich habe, werde ich sterben“, sagte das zwölfjährige Mädchen zu ihrer Mutter. Kein Arzt wollte sehen, was schwarz auf weiß in den Blutwerten stand. „Abweichungen sind normal. Jeder hat eben andere Normwerte.“
Der Arzt, der das Herz-EKG auswertete, lachte nur über die leichten Schwankungen. „Das ist in jungem Alter normal. Besonders bei Mädchen.“
„Kommen Sie wieder, wenn Sie wirklich etwas haben“, sagte er zu der inzwischen fünfzehnjährigen jungen Frau.
„Sie haben ein Reizdarmsyndrom, nehmen Sie Flohsamen, dann wird das schon“, hieß es ein Jahr später und wieder ignorierte man die deutlich erhöhten Rheumawerte auf dem Papier.
Ich war verzweifelt, hatte Angst, Tag für Tag Schmerzen und Einschränkungen. Ein Stechen in der Seite raubte mir oft den Atem und brachte mich zum Weinen. Mein Herz stolperte und ich fragte mich, wann es wohl stehenbleiben würde.
Bis mit 18 Jahren endlich die Diagnose Lupus kam.
Zuerst war das ein Grund zum Feiern. Da wusste ich noch nicht, wie oft ich dem Tod noch von der Schippe springen würde. Behandlungsfehler, die nur durch das Eingreifen meiner Mutter keine fatalen Folgen hatten. Krankheitsverläufe, die uns zweifeln ließen, wie alt ich wohl werden würde.
Dann wurde ich 20. Ein Alter, das ich nie erwartet hätte.
Und nun ist der Tag gekommen, an dem ich den nächsten Zehner erreiche.
Heute bin ich 30 und blicke auf ein längeres Leben zurück, als es manch Sechzigjähriger hatte. Mit unzähligen Hürden, die ich nicht immer überwinden konnte aber ich habe es immer geschafft, wenigstens darunter hindurchzuschlüpfen.
Seit anderthalb Jahren habe ich zum ersten Mal in meinem Leben dank meines neuen Medikaments eine Lebensqualität, die das Leben endlich lebenswert macht. Seit über einem halben Jahr bin ich in Remission. Es gibt kleine Einschränkungen, manchmal Schübe aber meistens bin ich stabil.
Ich habe es geschafft, mich in einen Job zu kämpfen und ihn sogar Vollzeit auszuüben, dank meiner großartigen Chefin, die mir die nötigen Freiheiten dafür gibt. Ich lebe in meinem Traumhaus, mit einem Traummann und zwei wundervollen Hunden. Ich habe einen Blog mit stetig wachsenden, wundertollen Leser*innen – und so viele weitere Lebensvorhaben, die ich Schritt für Schritt verwirkliche.
Und an meiner Seite: die beste Mama, die man sich nur wünschen kann.
Und so kann ich zu meinem früheren Ich sagen:
„Halte durch, das wird.“
Ich weiß, das Leben wird nie leicht sein. Es wird auch wieder Tiefs geben, in welcher Form auch immer. Aber das ändert nichts an dem, was ich habe: Erfahrung, Erinnerungen, Wissen und Kampfgeist.
Ich denke auch an all jene, die heute nicht mehr an meiner Seite sein können, um diesen Meilenstein mitzuerleben wundervolle Menschen, die mein Leben geprägt und mir gezeigt haben, wie kurz und zerbrechlich selbst das größte Glück sein kann.
Ich danke allen, die meinen Weg geprägt oder auch nur kurz gestreift haben.
Würde ich etwas anders machen? Viel.
Aber macht nicht genau das das Leben aus?
Happy Birthday, kleines Ich.
Wir haben es bis hierher geschafft und es geht weiter.
Krank sein ist ein Teil meines Lebens, nicht deiner to-do-Liste
Gedanken vom 8. August 2025
„Wie, du kommst zeitweise nicht aus dem Bett und kannst deine Hände nicht benutzen?“
„Ja, ich habe Lupus, Migräne und noch ein paar andere Baustellen. Aber das ist in Ordnung. Ich bin schon krank geboren worden und komme gut damit klar.“
So oder so ähnlich fangen viele Gespräche an. Nicht, weil ich hausieren gehe, sondern weil ich meine Einschränkungen nicht verstecken kann und ehrlich gesagt auch nicht verstecken will. Somit antworte ich offen auf Rückfragen, ohne mich aufzudrängen.
Ich möchte zeigen, dass es okay ist, schwer krank und trotzdem glücklich zu sein.
Dass Schmerzen und Einschränkungen dem persönlichen Glück nicht im Wege stehen müssen.
Doch obwohl ich deutlich mache, dass ich meinen Weg gefunden habe, bekomme ich immer wieder dieselben Ratschläge:
„Trink genug Wasser.“
„Achte auf deine Nährstoffe.“
„Schon mal eine Ernährungsumstellung probiert?“
Ich bin fast 30 und frage mich:
Glaubt ihr wirklich, ich würde nicht alles versuchen, um mich besser zu fühlen?
Wenn Luft und Liebe heilen würden, wäre ich längst der gesündeste Mensch auf der Welt.
Vielleicht ist es fürsorglich gemeint doch in Wahrheit ist es grenzüberschreitend „hilfreiche“ Tipps einer unheilbar Kranken Person aufzudrängen.
Ich bin glücklich mit meinem Leben. Ich habe gelernt, es zu lieben, wie es ist.
Warum fällt es dir so schwer, das zu akzeptieren?
Nur weil DU mit MEINEM Leben unzufrieden bist, heißt das nicht, dass ich es bin.
Und das ist gut so.
Mehr Urlaubstage, mehr Zeit zum ausruhen?
Gedanken vom 5. August 2025
Wer die Wahl hat, hat die Qual? Wenigstens gibt es noch eine Wahl.
Ich habe fünf Urlaubstage mehr im Jahr. Offiziell, um mich besser zu erholen.
Tage, um die mich manche Kollegen beneiden, ohne zu wissen, dass ich sie (und noch einige mehr) bei Ärzten verbringe.
Nicht, weil ich es mir so ausgesucht habe, sondern weil Arzttermine nach Feierabend schlicht nicht machbar sind und meine Kraft nach einem Arbeitstag schon für Freizeit nicht reicht.
Das Wochenende?
Das ist dafür da, meine Hobbys der Woche nachzuholen, falls mich die Hausarbeit nicht vorher lahmlegt.
Natürlich gibt es auch gute Tage.
Zum Glück bin ich inzwischen gut eingestellt und es gibt tatsächlich mehr gute als schlechte Tage.
Außer…
• die Arbeit war stressig
• das Wetter schlägt um
• mir fehlen ein paar Minuten Schlaf
• mein Körper entscheidet sich spontan für einen Schub
• ich esse etwas, das nicht passt
• oder….
Du hast zu wenig Zeit zum Spielen?
Ich soll froh sein über meine fünf zusätzlichen Urlaubstage?
Dann tausch doch gern mit mir.
Das Bereuen
Gedanken vom 12. Juli 2025
Es gibt nicht viel in meinem Leben, das ich bereue. Nur manche Entscheidungen, die ich getroffen habe, bevor meine Krankheiten richtig ausgebrochen sind. Ich bereue, Energie in Dinge gesteckt zu haben, die ich weder hätte tun müssen noch wirklich wollte. Genauso bereue ich, bei Gelegenheiten weggeschaut zu haben, statt hinzugehen.
Doch eines bereue ich nicht: dass ich schon in jungen Jahren diese Einsicht gewonnen habe. Ja, sie kam durch Krankheit, und manchmal wünsche ich mir, ich hätte diese Erkenntnis nicht so früh gebraucht. Aber gerade weil ich weiß, wie schnell schöne Zeiten vergehen können, lebe ich heute anders. Ich weiß, wie schnell die Kräfte schwinden, wie fragil das Leben ist.
Das Positive daran: Ich lebe jeden Moment als wäre er mein letzter. Ich verschwende meine Energie nicht mehr an Dinge, die mir nicht guttun, und mache mein Jetzt zu meinem wichtigsten Ziel. Neulich fragte mich jemand: „Was ist dein größter Wunsch?“ Erst in diesem Moment wurde mir klar, dass ich viele meiner Wünsche bereits lebe. Ich habe nicht den Luxus, weit in die Zukunft zu planen, und genau das ist mein besonderer Luxus: so zu leben wie es mir passt.
Oft sehe ich die Alltagsroboter an mir vorbeigehen. Getrieben vom Gedanken an die Zukunft, den Blick starr geradeaus auf ferne Ziele. Während ich durch die Welt gehe, anhalte und den Moment genieße. Mir kleine Ziele setze, die schmalen Wege bestreite. Und trotz meiner Erkrankungen führe ich dennoch ein so viel schöneres Leben als die meisten Menschen.
